Deutsch-französisches Tandem in Niederbronn-les-Bains

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Mit der Bahn über Offenburg nach Straßburg ging es am 27. Mai 2013 schon ganz früh, so dass wir bereits um kurz vor 14 Uhr "unsere Franzosen" auf Gleis 4 in Empfang nehmen konnten. Wir, 19 Schülerinnen und Schüler aus dem 8. Jahrgang, zusammen mit Frau Fischer und Frau Fröhlich, trafen dort 31 französische Schülerinnen und Schüler aus Aix-en-Provence. Als binationale Gruppe ging es weiter durch lieblich-hügelige elsässische Landschaften bis in die Jugendbegegnungsstätte Centre Albert Schweitzer in Niederbronn-les-Bains.

 Unsere bewegte deutsche Vergangenheit ist hier schnell zu spüren, da sich hier ein sehr großer deutscher Militärfriedhof von 1939-1945 mit 15.508 Grabmälern deutscher Soldaten befindet. "Oh, ich will nicht neben einem Friedhof wohnen!" war eine der Reaktionen, als unser Bus am Ziel angelangt war. Doch die ersten Berührungsängste verflogen schnell, als die Jugendlichen ihre gemeinsamen Zimmer belegen durften und sich bei Kennenlernspielen näher kamen. Auch das gemeinsame Beziehen der Betten sorgte für eine Menge Spaß, da es für einige eine Premiere zu sein schien, ein Spannbettlaken zu fixieren. Hier griff gleich die deutsch-französische Freundschaft. Kurz darauf waren die ersten gemischten Fußballmannschaften auf dem Platz, das erste Frisbee wurde geworfen, zaghafte sprachliche Annäherungen wurden versucht. Und selbst der schwierige Name "Guillaume" lässt sich nun, nach zahlreichen Sprachspielen, ganz einfach aussprechen!

 Abends gab es dann eine kleine Verwirrung: angeblich fehlte in einem Jungszimmer plötzlich eine Schranktür! Auch eine große Suchaktion nach der Tür und einige rügende Worte von Lehrerinnenseite brachten keine neuen Erkenntnisse. Erst das Gespräch am nächten Morgen stellte heraus, dass der Hausmeister diese Tür schon vor unserer Ankunft entfernt hatte, um sie zu reparieren...

Am zweiten Tag begannen wir mit einer Tandem- bzw. Tridemübung, d.h. mit einer Sprachübung, deren Zweck es ist, sich gegenseitig spielerisch die Sprache beizubringen und zweisprachig zu arbeiten. Die Dreiergruppen (zwei Franzosen/ Französinnen, ein/e Deutsche/r) bekamen Post-its und Stifte und sollten sämtliche Gegenstände zweisprachig beschriften. Mittlerweile finden sich hier überall Aufkleber mit Begriffen wie "die Tür - la porte" oder, selbst am Baum, "das Blatt - la feuille".

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Vormittags wurden wir, getrennt von den Franzosen, vom Directeur des Centre persönlich in die Geschichte der Gedenkstätte eingeführt. Bernard Klein zeigte uns nicht nur die sehr gut gestaltete Ausstellung, sondern führte uns auch über den Friedhof und erzählte dabei ergreifende Einzelschicksale. Unter anderem ist hier auch das Grab des jüngeren Bruders von Theo Waigel zu finden. Ein Schüler musste sein Kleingeld zur Verfügung stellen, um die Symbole der einzelnen europäischen Staaten (deutsches Eichenblatt, Brandenburger Tor, französische Säherin etc.) zu veranschaulichen. Ein 50 Cent-Stück liegt nun auf dem Waigel-Grab, zusammen mit vielen anderen Geldstücken aus der ganzen Welt.

Nach einem herrlichen Essen ging es weiter mit Vorbereitungen für die noch folgenden Straßeninterviews, der Vorbereitung des Abendprogramms durch eine Schülergruppe und eine gemeinsame Wanderung ins Dorf Niederbronn. Der Bäcker, der Pressestand und COOP wurden genauestens inspiziert, jedes Schild gab einen Redeanlass... Einfach toll, wie sich so alles mischt, immer mal wieder, in einem Kuddelmuddel aus deutsch, französisch und englisch, mit Händen und Füßen! Ein Franzose erzählte mir immer wieder, wie sehr er Deutschland hier möge. Ich musste ihn erst einmal daran erinnern, dass dies hier sehr wohl Frankreich ist, obwohl man sich teils wirklich wie in Deutschland fühlt. Auf meine Frage, was er denn am meisten möge, war seine Antwort: "Die grünen Wiesen und die schönen Einfamilienhäuser dort oben am Berg!" Tja, auch der Unterschied von Nord- und Südfrankreich kann manchmal schon Verwirrung stiften. 

Innerhalb weniger Tage wurden, bei einigen Mädchen, die ersten Clichées über die Deutschen über den Haufen geworfen, als die "französische" Seite des Zimmers sehr ordentlich, dafür aber die "deutsche" Seite in völligem Chaos aufzufinden war. Glücklicherweise haben dafür einige deutsche Jungs dafür gesorgt, dass das Image der deutschen Ordnung nicht ganz ins Wanken geriet!

Der dritte Tag fand für die "Wilmas" in Straßburg statt. Die Franzosen verbrachten den Vormittag in Kehl, auf deutscher Seite des Rheins. Nach einem gemütlichen Flanieren über den Markt mussten wir an fast jedem Geschäft anhalten, alles wurde beäugt und besprochen, bis wir schließlich im "Petite France" ankamen und die Fachwerkhäuser und die Schleuse genießen konnten. Nach einer genialen Fahrt auf einem "Carroussel von 1900" führten die deutschen Schüler/innen Interviews mit Straßburgern durch und stellten ihnen Fragen zu Europa. Einige Befragte sangen uns sogar die Europahymne vor!  Nach einer Chocolat crème oder einer Menthe à l'eau im Café neben der Cathédrale liefen wir strammen Schrittes zum Bowling à l'Orangerie, leider im Regen. Aufgrund der veränderten klimatischen Bedingungen fiel damit die Stadtrallye buchstäblich ins Wasser und wir bowlten - zur Freude einiger!! Lustig war vor allem zu beobachten, dass einige Jugendliche mehrere Kugeln "versenkten", um dann im Anschluss zwei Strikes hintereinander zu erzielen.

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Auf dem Rückweg fuhren wir mit unserem Bus zum Europa-Parlament. Alt und neu - Straßburg bietet alles!

Morgen werden wir unsere Interviews auswerten und sogar ein französischer Regional-Fernsehsender interessiert sich für unser Tandemprojekt. Um elf Uhr werden wir hier gefilmt! Kein Problem: Uns geht es wirklich allen ziemlich gut, die Stimmung wird immer harmonischer, jeder und jede ist irgendwie beschäftigt.

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Donnerstag: Das Regional-Fernsehen TV3V war da und hat vor allem die Lehrer/innen zur Tandemmethode und zur Vorgehensweise der Drittortbewegung befragt. Die Jugendlichen wurden bei ihrer Tandemarbeit gefilmt, beim "Baby-foot"-Tischkicker. Lustig war es, als einige Jungs ihre Tandemarbeit demonstrieren und jeweils in ihrer eigenen Sprache sprechen sollten. Ungünstigerweise waren die Vokabeln mittlerweile so in Fleisch und Blut übergegangen, dass jeder bereits in der anderen Sprache sprach. Nach einigen Wiederholungen konnten die Schüler dann wieder ihre Muttersprache sprechen...

Gestärkt mit einem Cordon bleu und leckerer Apfeltarte ging es in die verschiedenen Freizeitgruppen. Die einen veranstalteten ein Tischtennis-Turnier, eine zweite Gruppe malte Mangas von fast allen Teilnehmer/innen und die anderen gingen auf den Fitnessparcours und führten Dehnungsübungen in der Sonne durch.  Um den Sporttag komplett zu machen, begannen wir um 20 Uhr eine Nachtwanderung zur Wasembourg-Ruine und kamen, nach einer kleinen Rast auf Burg und Spielplatz (!), alle glücklich und erschöpft drei Stunden später wieder im Dunkeln im Centre an. Gut, dass wir genügend Taschenlampen dabei hatten und wir die ausgehungerten Kinder mit einem Stück Baguette wieder fitmachen konnten. An diesem Abend ging das Einschlafen relativ schnell!

Der Freitag war leider ziemlich regnerisch. Unser Geburtstagskind Malin ließ sich jedoch davon nicht beeindrucken und konnte einen, von ihren Freundinnen reich geschmückten und beblümten, Platz vorfinden. Alle sangen für sie dreisprachig. Kurz darauf begann der Performance Day. Die Ateliers Video, Theater, Gastronomie, Blumen & Deko sowie die Gazette waren schnell besetzt. Professionelle Mentoren leiteten die Gruppen an.

Am Abend präsentierten die einzelnen Gruppen ihre tollen Ergebnisse. Zunächst zeigte die Video-Truppe einen eigens konzipierten und gedrehten Film über ein Soldatenschicksal im 2. Weltkrieg. Als nächstes gab die Theatergruppe ein Improstück zum Besten. Anschließend empfing uns die Kochgruppe mit einem ausgiebigen Buffet (Thunfischcrème, Tomate-Mozzarella etc. gefüllte Zucchini und Paprika, Brownies mit Vanillesauce und Erdbeeren), welches auf herrlich gedeckten Tischen mit individuellen Tisch- und zweisprachigen Menukärtchen sowie Blumenschmuck in stylischen Vasen aus Papier serviert wurde. Zuguterletzt bekam jede/r Teilnehmer/in eine frische Ausgabe des "Niederbronner Infodonners/ La dépêche de Niederbonn" gereicht. Nach der Verleihung der Preise zu sämtlichen stattgefundenen Turnieren begann wir "La boum - Die Fete", mit Süßigkeiten aus beiden Ländern, und genossen unseren letzten Abend hier gemeinsam. Und dann: Dodo!

Samstag hieß es dann: Koffer packen, Frühstück, Abfahrt nach Strasbourg, Koffer in einem Hotel einlagern, Spaziergang durch die Stadt, Mittagessen im FLAM'S (All you can eat Flammenkuchen plus Getränke) und Reiseproviant kaufen. Auf dem Rückweg zum Bahnhof kam dann noch der kurze Schock: Einem Schüler wurden 10 Euro aus der Tasche geklaut. Er sah gerade noch, wie ein 50-jähriger Mann das Geld in seine Tasche streckte. Vier unserer Jungs rannten ihm hinterher. Es gelang ihnen tatsächlich, ihn einzuholen und ihn zu stellen: "No police!" wurde eingehalten - zum Glück, denn sonst wäre unser Zug sicherlich ohne uns losgefahren. Unsere Helden!

Um kurz vor 16 Uhr verabschiedeten wir dann unsere französischen Freunde am Bahnhof. Bisou, bisou, letzte Fotos, und ab ging's in Richtung Berlin und Aix-en-Provence.

Wieder in Berlin sprachen wir noch einmal über unsere Reise. Ich fragte die Schülerinnen und Schüler nach den schönsten Erinnerungen:

- der Spaziergang nach Niederbronn mit Besuch beim Bäcker, im Zeitungsladen, Supermarkt und das Spielen an der Wasserfontäne auf dem alten Marktplatz.

- Dass der nette "Pfannkuchenmann" (FSJ-ler ) auf der Nachtwanderung ausgerutscht ist und schnell so getan hat, als sei nichts gewesen.

- Die herrlich weite Aussicht auf den Hügeln, die grünen saftigen Wiesen...

Auf die Frage, ob und wie wir weiter Kontakt halten könnten, kamen Vorschläge wie: Facebook, SMS, What's app, Telefon, Bilder austauschen, Briefe und/ oder mails schreiben,  ein weiteres Treffen dieser Art, Familienaustausch, gemeinsame Projekte...

Und sonst so?

"Ich habe an Erfahrung mitgenommen, dass es ziemlich leicht ist Französisch im Unterricht zu sprechen, aber vor Franzosen ist es verdammt schwer..." (S.R.) 

"Wenn man mit einem Franzosen zusammen ein Zimmer teilt, lernt man viel schneller die Sprache." (A.P.)

"Mir hat an der Fahrt besonders der Mittwoch gefallen. Dort haben wir Interviews in Strasbourg auf französisch geführt und haben Ton- oder Videoaufnahmen gemacht. Danach sind wir (...) zum Bowling gegangen." (G.P.)

"Ich habe mich auch in meiner Aussprache verbessert." (C.B.)

"Ich habe gemerkt, dass es wirklich schwer ist, vor anderen zu sprechen, aber es macht Spaß." (M.K.)

Ich möchte ganz herzlich meiner Kollegin Frau Hundt von der Schule "La Nativité" aus Aix-en-Provence für diesen schönen Austausch sowie ihr und Frau Dorfmüller vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge für ihr großes Engagement bezüglich der Organisation von Fördergelder danken. Es war eine sehr schöne Zeit. Mehr Informationen und Fotos von Seiten der Franzosen finden sich auf dem Schülerblog der Klasse 5e-allemand auf der Homepage der Schule "La Nativité". 

Ein großes Dankeschön geht auch an unsere Sponsoren: Das Deutsch-Französische Jugendwerk und die Stiftung Gedenken und Frieden haben uns großzügig mit Fördermitteln unterstützt, so dass wir die Kosten für die Schülerinnen und Schüler verringern und uns tolle Extras wie einen Bus vor Ort, Materialkosten, das Bowling, eine Nachtwanderung, die Ateliers am Performance Day, eine Führung über den Militärfriedhof und und und gönnen konnten.

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