13 Tage vor dem internationalen Holocaust-Gedenktag, 13 Tage, bevor sich die Befreiung des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau zum 80. Mal jährte, saßen 18 Schüler*innen der Klasse 10.3 der Wilma-Rudolph-Schule gemeinsam mit uns, ihrer Klassenlehrerin Frau Fischer und der Ethik- und Philosophielehrerin Frau Holler, nicht im behaglich warmen Klassenzimmer, sondern betraten bei 5 Grad Celsius die Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau in der Nähe der polnischen Stadt Katowice.
Auschwitz - ein Ort, dessen Name Symbol geworden ist. Symbol für unvorstellbares Leid, das mindestens 1,4 Mio. - die Dunkelziffer ist weitaus höher - Jüdinnen und Juden, Polinnen und Polen, politischen Gegnern des NS-Regimes, Sinti und Roma sowie Homosexuellen durch die Nationalsozialisten zwischen 1940 und 1945 zugefügt wurde.
Gemeinsam mit der Klasse 10.3, die bereits ein halbes Jahr durch Frau Scharff im Theaterunterricht und Frau Ostrowski in den gesellschaftswissenschaftlichen Fächern gezielt auf den Besuch des ehemaligen Konzentrations- und Vernichtungslagers vorbereitet wurde, machten wir uns auf den Weg in unser Nachbarland Polen.
In der Vorbereitungszeit gewannen unsere Schüler*innen bereits vage Vorstellungen davon, was sie in Auschwitz erwarten würde. Die Realität war dennoch ein Schock. All das mit eigenen Augen zu sehen, was ihnen bisher nur von Bildern, aus Dokumentationen und Erzählungen bekannt war, wirkte zunächst nicht real, brauchte Zeit zur Verarbeitung. Einige Schüler*innen waren sprachlos, andere mussten in Auschwitz vorzeitig die Räume verlassen, konnten den Anblick der Gegenstände und Räume und die aufkommenden Gefühle nicht ertragen. Am Abend nutzten die meisten die Gelegenheit, in einer gemeinsamen Reflexionsrunde ihren Eindrücken und Gedanken Ausdruck zu verleihen.
Diese persönlichen Gedanken und Gefühle, in Kombination mit eigens dafür recherchierten Fakten, werden im Frühjahr in einem selbst erarbeiteten Theaterstück zum Thema Holocaust: 80 Jahre Befreiung Auschwitz auf die Bühne gebracht und damit einem größeren Publikum zugängig gemacht.
An der Wilma hat die Gedenkstättenfahrt seit zwei Jahrzehnten Tradition. Frau Scharff und Frau Ostrowski haben schon etliche Reisen vorbereitet, begleitet und durchgeführt und übergeben den Staffelstab nun an andere Kolleg*innen aus dem gesellschaftswissenschaftlichen Fachbereich. Ab dem kommenden Schuljahr soll der Gedenkstättenfahrt wieder eine Arbeitsgemeinschaft vorausgehen, in der interessierte 10.-Klässler*innen vorbereitet werden und Teile des Programms vor Ort selbst organisieren und übernehmen können.
Die diesjährige Gedenkstättenfahrt, die insgesamt vier Tage umfasste, enthielt neben der Exkursion nach Auschwitz eine umfassende Stadtführung durch das wunderschöne und geschichtsträchtige Krakau sowie die Besichtigung der Remuh-Synagoge im jüdischen Viertel Kazimierz und der Schindler-Fabrik, in welcher der deutsche Unternehmer Oskar Schindler während der NS-Zeit etwa 1200 bei ihm angestellte jüdische Zwangsarbeiter vor der Ermordung bewahrte.
In einer Zeit, in der die Bedeutung von Verständnis und Erinnerung, vom Hochhalten demokratischer Werte - wie der Würde jedes einzelnen und der Gleichheit aller Menschen - so groß ist wie selten zuvor, leisten Exkursionen wie die Gedenkstättenfahrt nach Auschwitz-Birkenau der Klasse 10.3 einen wichtigen Beitrag zur Stärkung der europäischen Erinnerungskultur. Mit ihrem Interesse an der Fahrt und ihrer Bereitschaft, sich mit der Geschichte auseinanderzusetzen, sich Wissen anzueignen und darüber zu reflektieren, beweisen die Schüler*innen, dass sie bereit sind, aus der Vergangenheit zu lernen.
Wie brachte es die deutsche Holocaust-Überlebende Margot Friedländer so treffend auf den Punkt? „Es gibt kein christliches, muslimisches, jüdisches Blut. Es gibt nur menschliches Blut.“
Helena Holler und Kristina Fischer